HomeNewsRE_OPENING der deutschen Bars: Recap des THE BLEND Talks

RE_OPENING der deutschen Bars: Recap des THE BLEND Talks

Am 11. März sprach Jan Scheidsteger (Gastronomieberater aus Hamburg und Betreiber von zwei Restaurants) auf Instagram mit Susanne Baró Fernández (Timber Doodle, Berlin) und Johannes Möhring (Ménage Bar, München) über die Zukunft der Bar – kurzfristig, mittelfristig und langfristig. 

KURZFRISTIG GEPLANT: Drink-Tipps von Johannes Möhring 

Wie können sich Bartender*innen schon jetzt auf den Neustart der Bars vorbereiten? Johannes Möhring: „Wir haben FOMO auf allerhöchstem Niveau im Moment. Ich rechne, sobald es rechtlich möglich ist, mit einem gewaltigen Ansturm auf die Gastronomie. Wie kann ich diesen nutzen, um mit Kreativität und gesteigerter Qualität nachhaltig (also auch wenn der erste Ansturm nachlässt) meinen Flow zu erhöhen?“

Seine Tipps/Prognosen:  

1. JETZT EINLEGEN: Sich jetzt zum Frühling mit dem Thema Fermentation beschäftigen, um im Sommer/Herbst „abgefahrene Sachen“ zu haben. https://www.theblend.world/en-de/botw/byrdi

2. DRINKS WÄHLEN, DIE MAN GUT VORBEREITEN KANN: Unmittelbar vor der Wiedereröffnung spannende Drinks in größerer Menge vorbereiten, um im laufenden Betrieb keine Probleme zu haben --> Batches, Punches, Milk Punches.

3. GELERNTES PERFEKTIONIEREN: Delivery-Cocktails (aus der Bar) werden Gäste nicht vom Besuch der Bar abhalten, sondern sie werden zum „Upgrade für die WG-Party oder den Mädelsabend“ --> bessere, handwerkliche Drinks für zu Hause ersetzen die Premixe aus dem Supermarkt.

MITTELFRISTIG BEDACHT: Der Stand der Verordnungen und Test-Szenarien von Susanne Baró Fernández

(Wie) können Bars Schnell- und Selbsttests kontrollieren und umsetzen? Wie kaum eine andere Person der Barszene hat sich Susanne Baró Fernández seit Beginn der Pandemie durch das Dickicht der Verordnungen, Auflagen und Bestimmungen gekämpft. Ihr Statusbericht zeigt: Zwischen den Vorstellungen der Bundesregierung, wie sich vor Ort in der Gastronomie Tests umsetzen lassen sollen, und wie es in praxi machbar ist, liegen Welten. 

Susannes Update kurz zusammengefasst: 

1.    EINE VOR-ORT-TESTSTATION 

Die bis 30. Juni gültige Überbrückungshilfe III deckelt auch die Kosten für Hygieneumbauten, z.B. eine Vor-Ort-Teststation. Doch wie realistisch umsetzbar ist eine Teststation vor der Bar? Susanne hat schon mal vorgedacht, wie so eine Teststation aussehen könnte: 

UT: Ist das logistisch bei einem Ansturm nach Ostern überhaupt machbar? 

Wichtig zu wissen: Gebrauchte Tests sind Sondermüll! Sie müssen in einen separaten Abfalleimer gegeben werden, der Inhalt ist gemäß Abfallschlüsselnummer 180104 „nicht gefährlicher medizinischer Sondermüll“ und muss zur Müllverbrennung verbracht werden. Der Müllsack muss aus wasserbeständigen und reißfesten Müllsäcken (Doppelsackmethode) bestehen. Der Abfall ist zu dokumentieren.

Folgende Fragen stehen noch im Raum: Wer kommt für den Testpreis von ca. 5 Euro auf? Ist Testen Service? Lässt es sich in den Getränkepreis einkalkulieren? Und wie kommt man der Dokumentationspflicht nach?

2.  POSITIV GETESTETE GÄST*INNEN 

Was passiert mit positiv getesteten Gäst*innen? Es besteht keine Meldepflicht auch bei positivem Test, jedoch sollte eine Empfehlung ausgesprochen werden, sich mit dem Gesundheitsamt in Verbindung zu setzen. 

Positiv getestete Gäst*innen sollten immer mental „aufgefangen“ werden. Hilf- und Ratlosigkeit können sie verwundern oder gar verärgern. Zudem haben auch negative Selbsttests nur eine Aussagekraft von ca. 6 bis 8 Stunden – auch dies muss bedacht werden.

3. DEINE MITARBEITER*INNEN

Auch Mitarbeiter*innen sollten 2x pro Woche getestet werden. Allerdings besteht bis jetzt keine Testpflicht (anlassloses Testen nur in Berufen mit erhöhtem Infektionsrisiko) und auch keine Impfpflicht. 

Du als Arbeitgeber*in hast jedoch gleichzeitig eine Fürsorgepflicht. Wie genau man mit dieser Situation umgehen soll, ist noch nicht ganz klar. Wichtig für Dich zu wissen ist aber: Wegen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes darfst Du keine Prämie ausloben, wenn Mitarbeiter*in sich impfen lassen. 

Susannes Zwischenfazit: Wir müssen uns intensiv damit beschäftigen, ob das Ganze überhaupt machbar ist. Für den normalen Barbetrieb sieht sie das aktuell geplante Modell persönlich als unrealistisch an: „Ich selbst sehe mich unter diesen Umständen nicht öffnen.“ 
Für konkrete Events, z.B. einer kleinen Gruppe, die zum Tasting-Themenabend kommt, ist es ihrer Sicht nach aber umsetzbar.  

WICHTIGER HINWEIS
Zum Zeitpunkt des Talks lagen die Inzidenzen in den meisten Ländern zwischen 50  und 100. Mittlerweile sind sie in vielen Ländern wieder auf über 100 gestiegen. Am 22. März haben Bund und Länder daher beschlossen, den Lockdown bis zum 18. April zu verlängern. Mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz, wo gastronomische Außenflächen zurzeit bewirtschaftet werden dürfen (Stand 24. März), bleiben alle Betriebe weiterhin geschlossen bzw. dürfen nur Speisen und Getränke zur Abholung/Lieferung anbieten. Auch wird über die Einführung einer Testpflicht für Mitarbeiter*innen von Unternehmen diskutiert. Bitte daher die aktuellen Hinweise des entsprechenden Bundeslandes beachten!

Hinweis: Der Zwang zum Testen könnte indirekt durch Hygieneauflagen für die Gastronomie kommen. Dabei bleibt momentan offen, was beispielsweise mit dem Entgelt eines Mitarbeiters passiert, wenn er sich nicht testen lassen möchte und deswegen nicht arbeiten darf. (Sachsen hat heute geurteilt, dass in Grundschulen Selbsttests Bedingung für den Schulbesuch sein dürfen – das könnte richtungsweisend sein.)

LANGFRISTIG INSPIRIERT: Trend-Ausblick für die Barwelt mit Jan Scheidsteger

Jan Scheidsteger, Entwickler zukunftsorientierter Gastrokonzepte, Trendscout, Berater und Teilhaber mehrerer Restaurants, stellte drei große Trends vor, mit denen sich die Barszene in den kommenden Jahren vermehrt beschäftigen wird. 

1. SENSIBILISIERUNG 

Wir alle haben viel über Gesundheit und auch Krankheit im letzten Jahr gelernt und setzen uns bewusster damit auseinander, so auch der Gast. Über kurz oder lang wird er Zutaten und Angebot hinterfragen und eventuell Nutzen vor Wirkung stellen. 

Besonders bei jungen Menschen, Stichwort Generation Z, geht der Trend hin zu Getränken mit weniger Alkohol und gesunden Wellness-Drinks bzw. „medical food“.  

2. KONNEKTIVITÄT 

Wir verzeichnen aktuell einen enormen Digitalisierungsschub. Die Generation Z wächst mit Konnektivität und Datenvielfalt auf – lasst uns das nutzen und besser werden! Es entstehen neue Möglichkeiten für Betreiber*innen: Applikationen helfen, besseren Service zu leisten (Reservierung, Bestellung etc.). Auch Community-Management und digitale Vernetzung werden immer wichtiger. 
 
Ein Beispiel für digitale Kommunikation können Livestreams aus der Bar sein, z.B. digitale Cocktailkurse und Masterclasses, die auf Plattformen wie Twitch Mehrwert schaffen.  

3.  ERLEBNIS 

Die aktuelle Situation zeigt: Große Vorfreude auf das Miteinander in der Bar ist überall festzustellen. Das Bewusstsein für die Gastronomie hat sich erhöht. Gäst*innen sind erwachsener und fordernder geworden, suchen individuelle Lösungen und eine Bar, die zu 100% auf sie und ihre Bedürfnisse eingeht. Neben dem kulinarischen Angebot werden Erlebnisse und Events zukünftig in Bars noch mehr in den Fokus rücken. 

Abschließend ist zu sagen, wir befinden uns in einer Situation, die Neues erahnen und Altes vergessen lässt. Leider noch mit vielen Fragen, aber trotzdem mit Hoffnung und guten Ideen. 

Come on 2021! 

Das komplette Gespräch könnt Ihr Euch hier anschauen: https://www.instagram.com/theblendgermany/channel/